Wenn es um Erziehung geht -völlig egal ob bei Mensch oder Hund- kennen viele keine Gnade. Die verschiedenen Stile werden heftig diskutiert, unversöhnlich stehen sich Wattebausch werfende Leckerli-Befürworter und die Erziehen-statt-belohnen Fraktion gegenüber, jederzeit bereit für ihre Sache in den Kampf zu ziehen. Wie ist es wirklich, was sagt die Wissenschaft, was macht Sinn und was nicht? Der Versuch einer Erklärung….
Erziehst du schon oder belohnst du noch…
Wieder mal kriege ich die Diskussion über Futter als Belohnung für unsere Hunde mit: eine Kollegin hat einen Artikel verfasst, in dem Futter als Belohnung strikt abgelehnt wird und in einer Gruppe auf Facebook wird heftig diskutiert inwieweit es nicht ein Eingeständnis von Hilflosigkeit des Menschen ist, Hunde mit Futter zu „bestechen“. Dabei werden Mythen und Märchen, falsches Verständnis von Futter zur Belohnung und natürlich die Haltung, dass der Mensch autokratisch über den Hund zu herrschen hat, in einen großen Topf geworfen, alles mit einer Prise enttäuschter Liebe und Ärger gewürzt, auf kleiner Flamme langsam gegart. Die Standpunkte werden heftig verteidigt, und wie so oft ersetzt Glauben das Wissen, Ideologie den Pragmatismus, der Machtanspruch die Vernunft.
Im folgenden drei Aussagen zu dem Thema die exemplarisch stehen sollen für allerlei andere Missverständnisse:
„mein Hund soll mich als Person lieben und nicht wegen des Futters“
„Ich besteche meinen Hund nicht, der soll gehorchen“
„Ich erziehe und belohne nicht“
Verhaltensänderung erfordert Lernen
Die Lerntheorie gilt immer und überall, da können wir nichts dagegen tun und schon gar nicht können wir und unsere Hunde nicht nicht-lernen (1). Das bedeutet, dass Lernformen (?) wie die operante Konditionierung immer ablaufen, ob wir das wollen oder nicht. Oder das Lernen über Nachahmung, das wir Menschen tagtäglich einsetzen, zumeist unbewusst. Lernen heißt anpassen ist Evolution.
Wollen wir von unseren Hunden ein anderes oder neues Verhalten wie etwa an einer lockeren Leine zu gehen, müssen wir ihnen das lernen, und das Lernen muss eine der vorhandenen Lernformen nutzen. Bei Hunden ist es eben zumeist die operante Konditionierung, die auch als „lernen an den Konsequenzen oder am Erfolg“ bezeichnet wird. D.h. die Konsequenz, die (mehr oder weniger unmittelbar) auf ein Verhalten folgt, beeinflußt wie oft, lange und gerne das Verhalten gezeigt wird (2). Bekommt mein Hund also ein Leckerli, wenn er etwas richtig macht, steigt die Wahrscheinlichkeit dass er es wieder tut. Strafe ich ihn, wenn er etwas falsch macht, sinkt die Wahrscheinlichkeit dass er das Verhalten wieder zeigt (3). Allerdings weiß mein Hund dann immer noch nicht, welches Verhalten richtig ist und von ihm erwartet wird.
Die operante Konditionierung
Operante Konditionierung finden wir in unserem menschlichen Alltag oft, wenn wir genau hinschauen. Etwa der Gurtwarner im Auto, dieses lästige Gepiepse wenn wir den Sicherheitsgurt nicht angelegt haben, ist nichts anderes als operante Konditionierung. Und einer der Gründe warum sich viele so schwer tun einen gesünderen Lebensstil zu verfolgen und das Rauchen aufzugeben oder mehr Bewegung zu machen, liegt ebenfalls in der operanten Konditionierung begründet.
Warum also den Hund nicht am Erfolg lernen lassen? Es funktioniert, garantiert, es gibt ausreichend wissenschaftliche Nachweise dafür, wie uns Skinner (3) als einer der ersten schon im vorigen Jahrhundert gezeigt hat. Nur braucht es die richtige Anwendung, und da sind wir oft sehr schlampig, vor allem wenn wir nicht „dran glauben“. Der Hund wird gelockt, das Timing für die Belohnung stimmt nicht, oder er ist so gestresst oder misstraut uns so massiv, dass er das Leckerli gar nicht annimmt bzw. als Belohnung empfindet.
Wollen wir unsere Hunde ohne Belohnung erziehen, nutzen wir ebenfalls eben die operante Konditionierung, nur eben einen anderen Quadranten, es geht ja gar nicht anders. Und hier muss dann jeder selbst entscheiden, ob man den positiven Weg geht oder mit Strafe arbeitet. Was dann für mich immer die Frage aufwirft wie man dann noch Liebe und Dankbarkeit erwarten kann vom Hund. Ein Widerspruch, oder?
Emotionen und unser Hund
Apropos Liebe und Dankbarkeit: unsere Hunde lieben uns nicht im menschlichen Sinne, sie betrachten uns als Sozialpartner. Sie kennen auch Dankbarkeit nicht, all das sind menschliche Kategorien, die Resultat unserer Wertvorstellungen sind. Klar, mittlerweile ist man sich einig dass Hunde wie andere höhere Säugetiere Emotionen haben, aber eben nur jene die ohne kulturelle Prägung und höhere kognitive Fähigkeiten auskommen und somit evolutionär Sinn machen.
Futterbelohnung Richtig
Richtiges Belohnen verstärkt das gezeigte Verhalten, vor allem wenn wir dazu einen unkonditionierten Verstärker wie Futter einsetzen. Es bringt uns im Training rasch voran, wenn korrekt eingesetzt und zum richtigen Zeitpunkt ausgeschlichen, ersetzt durch etwa funktionale Belohnungen oder schlichtweg durch ehrliches Lob und Freude unsererseits. Wo uns Futter als Belohnung nicht hilft, ist beim Setzen von Grenzen die unsere Hunde vor allem in der Jugend gerne ausloten, da braucht es Feingefühl und Konsequenz.
Zusammengefasst: ja, die Belohnung mit Futter ist für mich unersetzlich in Training und Erziehung mit Hunden, daraus folgen aber auch Herausforderungen. Und wie so oft liegt der Teufel im Detail: man muss schon wissen, wie man das richtig macht (5) damit es den beabsichtigten Sinn hat, verstehen wie das Werkzeug funktioniert, es ausprobieren, den Einsatz üben, beobachten und reflektieren. Dann muss man sich nicht auf Autorität, Liebe oder Dankbarkeit verlassen wenn es um hündisches Verhalten geht.
Tipp für das Belohnen mit Futter in der einfachsten Form:
Verwenden Sie Leckerlis die ihr Hund mag und verträgt, Sie können diese auch einfach selber machen.
Haben Sie die Leckerli nie in der Hand wenn Sie mit ihrem Hund üben/trainieren, bewahren Sie die am besten in einer Tasche die schnellen Zugriff erlaubt auf.
Tut ihr Hund etwas richtig belohnen Sie das Verhalten sofort, unmittelbar mit einem Leckerli, loben Sie ihren Hund dabei. Achten Sie unbedingt darauf dass der Hund das Verhalten möglichst nicht ändert für das Leckerli, also zum Beispiel aufsteht und hochspringt wenn er für das Sitzen belohnt wird.
Zeigt ihr Hund das Verhalten zuverlässig und immer öfter reduzieren Sie die Belohnung mit Futter, loben Sie ihn nur noch.
(1) in Anlehnung an Paul Watzlawicks „man kann nicht nicht-kommunizieren“.
(2) Vereinfacht, es wird eine Blogserie zum Thema „Operante Konditionierung“ geben die sich eingehend damit beschäftigt.
(3) Burrhus Frederic Skinner (1904-1990), prominentester Vertreter des Behaviorismus. Er prägte den Begriff „operante Konditionierung“. Die nach ihm benannte Skinnerbox ist ein Apparat für die Erforschung operanter Lernleistungen.
(4) Vereinfacht und vorausgesetzt man straft richtig was gar nicht so einfach ist. Auch dazu wird es einen Blogartikel geben.
(5) Das kann man sich natürlich von einem Profi erklären lassen ;-)
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