Die Werbung springt mir ins Auge: „in vierzehn Tagen zum Traumhund mit Online Trainings“. Verlockend, aber wie wäre mein Traumhund? Und was würde ich dem Hund beibringen? Kann mein Australian Shepherd dann Schlitten ziehen oder der Dackel Schafe hüten? Nicht dass ich das brauche, weil ich weder Schafe noch Schlitten mein Eigen nenne, aber es stellt sich mir die Frage, wie weit man Hunde formen kann?
Erfahrungen und Gene
Unsere Hunde kommen nicht als unbeschriebenes Blatt zu uns, je älter sie, sind umso mehr haben sie erlebt. Und das Erlebte ist nicht immer gut, hinterlässt seine Spuren in der Hundeseele und wird oft dann sichtbar, wenn wir es nicht erwarten. Beginnen tut das Erleben bereits vor der Geburt, und ganz besonders die Erlebnisse und Umwelt der ersten Wochen stellen schon Weichen.
Außer dem Erlebten ist da noch der Rucksack, den sie von Geburt an mittragen, also die genetischen Grundlagen die einen Rahmen abstecken in dem sich der Hund entwickeln wird, sowohl was seine äußeren Merkmale angeht, als auch seine Persönlichkeit. Dabei sind es oft Typ und Anzahl von Rezeptoren für Neurotransmitter, die etwa auf die Stressachsen großen Einfluss haben und somit einen wesentlichen Beitrag zum Verhalten des Hundes liefern. Welcher Anteil an der Persönlichkeit wie groß ist, lässt sich nicht beziffern, allerdings ist es auszuschließen, dass alleine die Rasse oder Abstammung die Persönlichkeit definiert. Auch die Umwelt und das Erlebte prägen nicht zu hundert Prozent die Persönlichkeit.
Die Persönlichkeit
Was ist also Persönlichkeit? Im Lexikon der Psychologie (1) wird Persönlichkeit als „…Gesamtheit aller überdauernden indiv. Besonderheiten im Erleben und Verhalten eines Menschen (der Persönlichkeitseigenschaften, syn. Persönlichkeitsmerkmale).…“ definiert, ist also auf den Menschen bezogen. Eine andere, allgemein gehaltene Definition meint eher die Merkmale und Verhaltensmuster, die ein Individuum von anderen unterscheidet, die aber über die Zeit und unterschiedliche Kontexte hinweg konstant bleiben. Persönlichkeit ist also die Summe der Eigenschaften, die ein bestimmtes Verhalten in gewissen Situationen wahrscheinlicher macht, und genau daher für uns Hundehalter interessant.
Der Mensch teilt gerne ein, warum soll es bei diesem Thema anders sein: verschiedene Kategorien bzw. die Definition einzelner Eigenschaften waren schon bei den antiken Griechen beliebt, diese kannten bereits vier „Temperamente“: Sanguiniker, Choleriker, Phlegmatiker und Melancholiker. In den 70ern des vorigen Jahrhunderts wurde in der Verhaltensökologie das Shy - Bold Schema beschrieben, das hauptsächlich auf die Risikobereitschaft eines Individuums eingeht und andere Merkmale außer Acht lässt. Aus der Humanpsychologie ist noch das Big Five Modell bekannt, das heute als Standard gilt.
Merkmale der Persönlichkeit
In der Welt der Hunde hat die Forschung (2) ebenfalls fünf Merkmale isoliert die für Caniden relevanter sind, aber doch zum Teil Bezug auf die Big Five nehmen, es sind dies:
Ängstlichkeit: neue Reize werden gemieden, unbekannte Situationen verunsichern, bereiten Stress bzw. werden sehr zurückhaltend bewältigt.
Aggressivität: die Bereitschaft zur Aggression gegenüber Menschen und Artgenossen in verschiedenen Situationen. Hier zeigen Studien (3) den Chihuahua sowie Dackel als Spitzenreiter.
Geselligkeit: beschreibt, wie oft und wie lange Hunde mit Menschen und Artgenossen interagieren. Ein Merkmal das Zuchtziel für manche Rassen ist.
Trainierbarkeit: wie gut kann der Hund fokussieren, wie ist die Bereitschaft zur Kooperation, wie schnell lernt er Neues. Eines der Merkmale mit einem hohen genetischen Anteil und stark von der Rasse abhängig, Retriever sind hier die Spitzenreiter.
Aktivität: wie viel bewegt sich der Hund, wie wichtig ist das für ihn. Spitzenreiter hier sind der Australian Shepherd und Boxer. Natürlich git es ein zu viel an Aktivität, die echte Hyperaktivität sowie die Überaktivität als zum großen Teil erlerntes Verhalten.
Warum sollte uns das interessieren? Zum einen wäre es toll vorhersagen zu können ob ein bestimmter Hund zum Halter passt, also ob die beiden zueinander kompatibel sind. Weiters ob der Hund einmal geeignet ist, Sprengstoff zu finden oder einem Blinden zu helfen, sicher über die Straße zu kommen.
Grenzen des Trainings
Und natürlich um die Grenze von Training zu verstehen: ich kann daran arbeiten, meinem Hund Verhalten beizubringen oder zu ändern, wie etwa Leinenführigkeit. Was ebenfalls gut funktioniert, wenn es richtig trainiert wird, ist die Selbstregulation des Hundes zu fördern, dazu gehören natürlich Fähigkeiten wie Impulskontrolle und Frustrationstoleranz. Was kein Trainer der Welt kann, ist die Persönlichkeit des Hundes zu ändern. Die können bzw. müssen wir im täglichen Zusammenleben und vor allem auch im Training respektieren, akzeptieren dass hier Grenzen sind und unsere Hunde nicht ein Klumpen Ton sind, den man beliebig formen kann.
Meine persönlichen Traumhunde
Für mich heißt das, dass meine Amy nie eine Draufgängerin wird oder Mia gemütlich hinter mir herwatschelt auf den Spaziergängen, damit muss ich leben. Trotzdem sind sie meine ganz persönlichen Traumhunde, ohne wenn und aber, auch wenn sie wieder mal meine Schuhe in den Garten schleppen oder eine Schachtel in kleine Stückchen zerfetzen.
Zum Schluss: schön wäre es könnten Menschen ihren Hund als das wahrnehmen was er ist, nämlich eine eigenständige, komplette Persönlichkeit die sich einen respektvollen Umgang verdient hat, Traumhund hin oder her.
(1) Dorsch, Lexikon der Psychologie
(2) Jones & Gosling, 2005, Temperament and personality in Dogs
(3) Serpell & Duffy, 2014, Dog Breeds and their Behavior
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